Anfang März. Nach Wochen scheint endlich wieder die Sonne. Das Wohnzimmer hat sich aufgeheizt, als wäre es schon bald Sommer. Dabei sind es draußen gerade mal zwei Grad. Ich komme verfroren herein - und entdecke Flecki vor der Gartentür. Eine Frühlingsbotin! Im Winter liegt sie nämlich lieber hinterm warmen Ofen - im übertragenen Sinn, denn auch unsere Nachbarn haben Zentralheizung. Jedenfalls habe ich Flecki schon lange nicht mehr gesehen. Jetzt aber miaut sie kräftig und wirft mir einen flehenden Blick zu. Dabei ist das gar nicht nötig, ich lasse sie auch so herein.
Ich setze mich auf den Wohnzimmerteppich, lasse mich von der Sonne bescheinen und von Flecki umstreifen. Fast augenblicklich merke ich, wie müde ich bin. Es ist warm ... es ist still ... bis auf Fleckis leises Schnurren. Ein gemütliches Geräusch.
Ein herrliches Wetter! Meine Hände und Füße sind längst wieder aufgetaut. Ich strecke mich auf dem Teppich aus und hoffe ein bisschen, dass Flecki zu mir kommt. Aber sie streift durch´s Wohnzimmer, als müsste sie hier nach so langer Zeit endlich einmal wieder nach dem Rechten sehen.
Ich schließe die Augen. Die Sonne leuchtet orange hinter meinen Lidern. Ich genieße die Wärme und Fleckis vertraute Geräusche. Mal höre ich ihre leisen Pfoten in der Nähe des Sofas, dann kommt sie wieder schnurrend an meinem Ohr vorbei.
Das ist ein schönes und aufregendes Gefühl: mit geschlossenen Augen auf eine schleichende, schnurrende Katze zu lauschen. Es durchrieselt mich angenehm, und ich wünschte, Flecki würde sich jetzt neben mir niederlegen, warm und anschmiegsam und weich ... aber das wäre wohl doch zu viel verlangt. So vertraut sind wir nicht. Sie entfernt sich wieder, und ich horche ihr mit leisem Bedauern hinterher.
Was ist Glück?
An einem sonnendurchfluteten Vormittag im März auf dem Wohnzimmerteppich zu liegen, die Ruhe und die eigene Müdigkeit zu spüren und einer Katze hinterher zu lauschen ... sich ein bisschen zu sehnen ... und sich zu begnügen ... und zu begreifen, dass "Glück" nur kurze Momente sind, die sich nicht bannen lassen - ebensowenig, wie man eine Katze einfangen und neben sich festhalten kann.
Jetzt legt sich eben diese Katze plötzlich doch hin - gerade so weit entfernt, dass ich ihr mit den Fingerspitzen über das Fell streicheln kann. Komm doch näher, Flecki! Aber sie fährt plötzlich ihre Krallen aus und greift spielerisch meine Hand an. Im nächsten Augenblick springt sie wieder auf und läuft zur Tür.
Dann eben nicht, Flecki, dann eben beim nächsten Mal.
Flecki miaut. Das bedeutet nicht, dass sie mit mir einer Meinung ist, sondern dass sie wieder hinaus will. Ergeben rappele ich mich auf und öffne meiner eigenwilligen Besucherin die Gartentür. Einen Augenblick steht sie unentschlossen auf der Schwelle - dann huscht sie davon und ist im Nu meinen Blicken entschwunden.
2006 / 2016